Die Welt der Psychotherapie Folge 1
Was ist eigentlich Verhaltenstherapie?
herzverstand
Die Verhaltenstherapie, kurz VT, ist ein wissenschaftlich anerkanntes und zugelassenes Psychotherapieverfahren, bei dem es darum geht, problematisches Verhalten zu beobachten, zu verstehen und mit Übungen zu verändern. Die VT ist im Gegensatz zur Psychoanalyse und den psychodynamischen Verfahren, bei denen es viel um frühkindliche Konflikte und unbewusste Anteile geht, eher gegenwartsorientiert. Die Arbeit an konkreten Zielen nimmt in der VT einen hohen Stellenwert ein und sie versteht sich als „Hilfe zur Selbsthilfe“. Klingt schon einmal ganz praktisch, aber was ist damit genau gemeint? Hier ein Beispiel:
Paul ist depressiv. Er ist ständig niedergeschlagen, hält nicht viel von sich selbst und verlässt nur noch selten seine Wohnung. Ehrlich gesagt schafft er es sogar kaum noch aus dem Bett, weil er die meiste Zeit müde ist und sich zu nichts mehr aufraffen kann. Aber eigentlich studiert Paul Informatik. Das Studium ist gefährdet, da Paul nicht mehr an den Pflichtveranstaltungen und den Klausuren teilnimmt. Mit Hilfe seines Freundes Tom hat Paul es aber dann doch geschafft, zu einem verhaltenstherapeutischen Erstgespräch zu kommen. Die Therapeutin lobt ihn sogar dafür, was Paul erst einmal lächerlich findet, das war ja schließlich keine Leistung und überhaupt ist er ein Versager, dass er noch nicht einmal so etwas Einfaches hinbekommt. Daraufhin erklärt die Therapeutin, dass eine Depression eine ernstzunehmende psychische Erkrankung ist und nichts mit Versagen oder Schwäche zu tun hat. Sie erklärt, dass durch bestimmte Prozesse im Gehirn, in der Biochemie, im Denken, Fühlen und Handeln über die Zeit ein Teufelskreis zwischen sich selbst abwertenden Gedanken, Niedergeschlagenheit und Rückzug entstanden ist. Dieser kann nur durchbrochen werden, wenn Paul lernt, sich nicht mehr abzuwerten und sich nicht mehr zurückzieht. Paul soll daher zunächst ein Wochenprotokoll führen, in dem schnell deutlich wird, dass er gerade wenig für sein Studium tut, aber auch kaum noch Freizeitaktivitäten nachgeht, was sich wiederum negativ auf seine Stimmung auswirkt. Er soll daher einmal am Tag bewusst angenehme Aktivitäten durchführen. Am Anfang ist Paul skeptisch, wie soll das bei seinem Studium helfen? Doch dann bemerkt er, dass sich seine Stimmung wirklich etwas bessert, nicht viel, aber immerhin. Sie vereinbaren Ziele, nämlich, dass Paul in Vollzeit studieren und seine sozialen Kontakte wieder pflegen möchte.
Nach und nach versteht er durch weitere Beobachtungsübungen wie sein Denken, Fühlen und Handeln zusammenhängen und wo sich über die Jahre falsche Überzeugungen wie „Ich bin ein Versager“ eingeschlichen haben. Diese lernt er jetzt Schritt für Schritt zu hinterfragen. Zu Beginn hat er noch viel Hilfe von seiner Therapeutin gebraucht, aber nach und nach gelingt es ihm immer besser, den Gedankenfallen auf die Schliche zu kommen und so seine Stimmung positiv zu beeinflussen. Paul schafft es nun, sich zumindest zwei Stunden am Tag auf sein Studium zu konzentrieren und sich einmal in der Woche mit Tom zu verabreden. Er ist noch nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg.
Dies ist ein mögliches Beispiel einer Verhaltenstherapie, die so oder so ähnlich häufig Anwendung findet. Es gibt jedoch auch noch andere Ansätze innerhalb der VT. In der medizinischen Welt ist die VT nämlich zwar noch eine relativ junge Vertreterin, doch auch sie kann bereits auf eine 80-jährige Erfolgs-Story zurückblicken. Kein Wunder also, dass sich im Laufe der Zeit das ein oder andere auch etwas verändert hat und Variationen entstanden sind. In einer der nächsten Folgen von „Die Welt der Psychotherapie“ soll es also um die verschiedenen historisch gewachsenen Stile der Verhaltenstherapie gehen. Auch woher die VT kommt, soll geklärt werden, dabei dürfen die anderen therapeutischen Verfahren wie zum Beispiel Psychoanalyse und tiefenpsychologisch orientierte Verfahren zu Wort kommen. Wer jetzt schon neugierig geworden ist, dem empfehle ich das Buch „Psyche? Hat doch jeder!“ von Lena Kuhlmann*, die auf leichte und anschauliche Weise die verschiedenen Verfahren beschreibt.
Bis zum nächsten Mal,
seid nett zu euch,
hört auf euren herzverstand!
*Bei der Nennung handelt es sich um eine unbezahlte Empfehlung.